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Sonntagsimpuls am 18. April

Auferstehung
Datum:
Veröffentlicht: 18.4.21
Von:
Ralph Olbrich
Glauben und Wissen

„Das glaub ich erst, wenn ich es selber gesehen hab!“ – den Satz kennen Sie und diesen Satz haben Sie bestimmt auch schon einmal zu hören bekommen. Die Menschen brauchen Beweise, handfeste Belege. Mit Mutmaßungen und Theorien geben sie sich ungern zufrieden. Wir brauchen was Konkretes. Im Spekulativen, im vagen Bereich von „das könnte sein“, „ich glaube, dass es so kommen könnte“ oder von „ich denke, das war so“ halten wir uns nicht gerne auf.

Interessant ist aber, dass der Satz „Ich glaube es erst, wenn ich es selber gesehen habe“ eigentlich doch völlig paradox ist. Wenn ich es sehe, dann brauch ich es ja nicht mehr zu glauben. Dann hab ich ja schon den ersehnten Beweis. Ich kann doch nur etwas glauben, wenn ich diesen Beweis eben noch NICHT habe. Hundertprozentig überzeigt ist man anscheinend immer noch nicht, selbst wenn der Beweis auf dem Tisch liegt. Anscheinend bewahren sich die Menschen trotzdem immer noch gern einen Rest Unwägbarkeit, einen Rest Unerklärbarkeit. Wenn Menschen den Glauben ins Spiel bringen, dann meistens, weil sie etwas vermuten oder erhoffen.

Von „Ich glaube, die Post war da“, wenn man es draußen klackern hört über „Ich glaube, der Club steigt nicht ab“, wenn der Herzschmerzverein 2 Spieltage vor Schluss noch 4 Punkte Vorsprung auf den Abstiegsplatz hat bis hin zu „Ich glaube dir“, wenn das Kind erzählt, wie ein Streit mit dem Freund abgelaufen ist. Glauben setzt ganz viele positive Eigenschaften voraus: Vertrauen, Menschenkenntnis, eine hoffnungsvolle und positive Lebenseinstellung, ja, und Glauben an das Gute. Wir werden in unserem Leben immer wieder mit Unwägbarkeiten konfrontiert – Genaues weiß man selten, eine Garantie und einen Beweis dafür, dass etwas gut wird, hat man nicht immer. Und ein Restzweifel bleibt oft im Leben, trotz allem: der Briefkasten könnte von einem Windstoß geklappert haben, der Herzschmerzverein könnte schon oft unglücklich abgestiegen sein und das Kind könnte nur die Geschichte so erzählen, um keinen Ärger zu bekommen. Da kommen dann Lebenserfahrung und Zweifel ins Spiel gepaart mit kritischem Denken und gesundem Menschenverstand – und schon wars das mit dem Glauben. Glauben und Wissen, Hoffnung und Zweifel, Wunschdenken und Realität unter einen Hut zu bringen bleibt schwierig und kompliziert. Und doch brauchen wir beides: den gesunden Menschenverstand, der sich nicht alles vormachen lässt, weil man sonst willfährig und kritiklos alles über sich ergehen lässt, aber auch den Glauben, das vertrauensvolle Herangehen an Dinge, die wir nicht erklären und Situationen, die wir nicht einschätzen können. Auch die Jünger stehen immer wieder in nachösterlichen Berichten übrigens genau in diesem Zwiespalt, so wie im heutigen Evangelium: Manche von ihnen haben manche schon gehört, dass Jesus auferstanden ist, manche haben ihn schon gesehen – und trotzdem sind sie voller Zweifel. Selbst in dem Moment, als er den Raum betritt, halten sie ihn für einen Geist. Also – wie viele Beweise brauchen die denn noch, könnte man fragen. Sie haben es gesehen und glauben es trotzdem nicht… aber hier steckt doch schon ganz am Anfang, wenige Tage nach der Auferstehung, so viel Menschlichkeit in der Auseinandersetzung mit dem Glauben und dem Wissen: Glaube bleibt lebendig, wenn er kritisch hinterfragt wird, sich entwickelt und mit dem Leben im Einklang gebracht wird, mit positiven Erfahrungen, Schicksalsschlägen und gelingendem Leben, Scheitern und Erfolg, Freude und Leid abgeglichen wird. Dann ist man selbst doch der lebendige Beweis für einen lebendigen Glauben bei gleichzeitig klarem Verstand!