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Tagesimpuls am 03.04.2022

Steine
Datum:
Veröffentlicht: 3.4.22
Von:
Ralph Olbrich

Wer ohne Sünde ist...

„Wer von Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!“ Diesen Satz aus dem Tagesevangelium am heutigen 5. Fastensonntag schreibt uns der Evangelist Johannes ins Stammbuch des christlichen Lebens für Situationen, in denen wir den Blick auf das Fehlverhalten unserer Mitmenschen lenken. Es ist der Schlüsselsatz in der Begegnung Jesu mit einer Frau, die Ehebruch begangen hat und nun gesteinigt werden soll. Jesus schleudert ihn den Männern entgegen, die schon die Steine in der Hand haben und bereit sind, das Gesetz Mose, wie sie es sagen, durchzusetzen… Du wirst doch wohl nichts gegen das Gesetz Mose haben? Fragen sie Jesus noch, um ihn auf die Probe zu stellen… er sagt sinngemäß: nein das hab ich nicht, steinigt nur… derjenige, der ohne Sünde ist, darf den ersten Stein werfen… wer als erster wirft und wie viele danach? Sie ahnen oder wissen es: kein einziger Stein fliegt in Richtung der Frau… die Menge verteilt sich recht schnell und schleicht sich beschämt davon… Knapp 2000 Jahre ist es her, dass sich die Szene so oder so ähnlich abspielte. Steinigungen gibt es auch heute noch. Ganz konkret in manchen Unrechtsstaaten – aber auch bei uns! Die Steinigungen in unseren zivilisierten Breitengraden finden in WhatsApp-Gruppen, in Schulklassen, Kollegien, ja sogar in Freundeskreisen, Familien und darüber hinaus in den großen und kleinen Medien statt… mit Worten, Verunglimpfungen und Verleumdungen, die härter sein können als jeder Stein und mindestens genauso sehr verletzen können. Wie oft sind wir versucht, auch unsere Faust zu heben, die schon den zum Abwurf bereiten Stein umschließt? Der Stein der Verurteilung „Das war so klar, dass aus dem Sohn von den Nachbarn nichts wird, der war im Kindergarten schon ein komisches Kind“ Der Stein des Gerüchtes: „Ich hab gehört, dass die Tochter von meiner Kollegin dauernd unter der Kettenbrücke rumhängt – die is bestimmt schon ein totaler Junkie“ oder der Stein des Rufmords: „Die gehen bestimmt absichtlich nicht arbeiten, damit sie Hartz IV abschöpfen“ Opfer einer modernen Steinigung kann übrigens jeder und jede werden: um ein Opfer von Mobbing, übler Nachrede und Ausgrenzung zu werden, reicht manchmal nur, dass man „anders“ ist. Da kann man bisher noch so „normal“ gewesen sein – neue Schulklasse, neuer Arbeitsplatz, neue Wohngegend: plötzlich fliegen die Steine. Niemand ist davor gefeit. Jeden kann es treffen. Umso mehr sollten wir uns, wenn wir mal wieder kurz davor sind, einen geistigen Stein zum Abwurf bereit zu halten, uns den Satz des heutigen Evangeliums zu vergegenwärtigen „Wer von Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!“