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Tagesimpuls am 2. Fastensonntag

Gipfelkreuz
Datum:
Veröffentlicht: 13.3.22
Von:
Albert Müller, Leitender Pfarrer

Sternstunden und Gipfelerlebnisse (Lk 9,28b-36)

Es gibt Momente, wo Menschen Sternstunden oder „Gipfelerlebnisse“ haben dürfen, wenn sie wie in den vergangenen Nächten den schönen und reichen Sternenhimmel betrachten dürfen oder vom Gipfelkreuz eines hohen Berges in die Täler und Ebenen schauen.

Auch im heutigen Sonntagsevangelium wird uns von einer solchen „Sternenstunde“ und einem „Gipfelerlebnis“ erzählt. Jesus geht auf einen Berg, um zu beten und so seinem Vater nahe zu sein. Während er betet, während er also eins wird mit seinem Vater, strahlt auch etwas Göttliches durch ihn hindurch: das strahlende Licht der Verklärung Jesu. Diese Erfahrung haben sie wohl ein Leben lang nicht mehr vergessen. Solche Erlebnisse prägten sich tief in das Leben der Jünger ein.

Mir kommt da das berühmte Wort des großen Theologen des 20. Jahrhunderts, Karl Rahner, in den Sinn: „Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker oder Frommer sein, oder er wird nicht sein“. Ich merke mehr und mehr, dass diese Aussage wirklich wesentlich ist für die Erneuerung der Kirche, der Gemeinden, der Hauskirchen, Gruppen und der christlichen Familien. Das können noch so wichtige pastoraltheologische Konzepte und Strukturveränderungen, die das Christen- oder Gemeindeleben vertiefen sollen, nicht ersetzen.

Menschen, die Gott erfahren haben, werden nicht bei dieser ihrer Erfahrung, bei diesen „Sternstunden“ oder „Gipfelerlebnissen“ stehen bleiben, sondern sie werden diese im Alltag, in ihr Leben hineinholen wollen. Sie werden sie gleichsam vom Berg der Verklärung in das Tal des Alltags mit hinunter retten!

Einer, der „erfahren hat“, kann es nicht bei sich behalten, er wird Apostel, Jünger, Jüngerin, Mitarbeiter und Mitarbeiterin in der Gemeinde, in kleinen Hauskirchen, in der eigenen Familie, in der Berufswelt, in Vereinen, in der Zivilgesellschaft. Nicht im Zwang, sondern aus einer Freiheit, die eigentlich nur aus dem Glauben an Jesus Christus kommen kann.

Ich wünsche Ihnen auch im Alltag diese Spuren Gottes, Erfahrungen, die unvergesslich bleiben, die uns ins Staunen versetzen, die ein Leben lang prägend bleiben; auch dann noch, wenn „dunkle Glaubenszweifel“ über uns ziehen, wenn Schicksalsschläge uns erfassen, Kriege, Krankheiten, Unfälle, oder Hass und Not uns begegnen. Vielleicht brauchen wir gerade in diesen Zeiten dieses Erinnern und diese Erfahrungen aus dem Glauben, die uns dann tragen können?

Albert Müller