Tagesimpuls am Karfreitag
Heiliges Kreuz, Baum des Lebens
Das Mosaik in San Clemente in Rom zeigt das Kreuz als Lebensbaum. Die ganze Decke über dem Altarraum ist mit Ranken bedeckt. In den Ranken sind zahllose Lebewesen dargestellt, verschiedene christliche Kirchenlehrer und verschiedene Menschen bei der täglichen Arbeit. Hier herrscht also das pralle Leben. Verfolgt man diese Ranken zu ihrem Ursprung zurück, so gelangt man an zwei Wurzeln, die aus dem Kreuz heraussprießen, an dem Jesus gerade den Tod erleidet. Der Baum, der voller blühendem Leben steckt, der den Lebewesen zur Nahrung zum Schutz und als Lebensraum dient wurzelt im Kreuz, das eigentlich für Tod, Leiden und Vernichtung steht.
So sehr der Karfreitag ganz unter dem Zeichen des Kreuzes steht, sich mit dem Leiden und Sterben Jesu auseinandersetzt… ein bisschen Ostern geht immer, könnte man sagen. Denn wir feiern diesen Tag mit dem Wissen: das Kreuz ist nicht das Ende: ist es der Auftakt zur rasanten Verbreitung der Botschaft Jesu, der Botschaft der Nächstenliebe, des Friedens und der Versöhnung. Das Kreuz wurde für die Christen zum Siegeszeichen über den Tod: der Tod hat keine Macht mehr über uns, Leid und Verderben werden nicht als Gewinner aus der Geschichte der Menschheit und aus unserer persönlichen Lebensgeschichte hervorgehen. Das Kreuz als Lebensbaum nimmt uns also die Furcht davor, dass unser Leben sinnlos sein könnte, auf Zufall und Schicksal aufgebaut. Nein – unser Leben, und zwar das Leben jedes einzelnen Menschen, erhält einen ganz eigenen Wert. Im hier und jetzt und über den Tod hinaus, erkennen wir doch in diesem Bild auch den Lebensbaum aus dem Paradies. Und in diesem Sinne dürfen wir gelassen und beruhigt unseren Platz in diesem Lebensbaum einnehmen.